Entspannung auf der Insel Gulangyu

Einst beherbergte dieses "Frühlingsinsel", wie unser Dichter Slauerhoff diese Oase der Ruhe nannte, Engländer, Franzosen, Niederländer, Amerikaner und chinesische Handelsleute mit ihren Familien, die von hier aus den Schiffsverkehr mit dem damals schwachen China koordinierten. Es war bereits damals eine Oase der Ruhe mit Villen in einer Mischung aus asiatischer und europäischer Architektur, umgeben von tropischen Parks und Stränden. Tagestouristen haben die Insel jetzt wiederentdeckt und tagsüber ist es dort geschäftig und voll. Aber am Abend kehrt die Ruhe zurück und man riecht den köstlichen Frangipani, der von einer warmen Luftströmung getragen wird.

Der schmale Weg zu unserem Hotel bestand aus charmanten Hindernissen wie Kopfsteinpflaster, hupenden elektrischen Golfwagen, die Touristen transportieren, Gruppen von Menschen, die einem kleinen Fähnchen folgen, lustigen undefinierbaren Fahrzeugen auf drei oder vier Rädern und steilen glatten Abschnitten, über die wir mit unseren Rollkoffern holperten. Die verführerischsten Hindernisse fanden sich an den Seiten der Gassen; kleine Restaurants, die uns ihre Speisekarten mit köstlichen Meeresfrüchten persönlich präsentierten. Abalone, Jacobsmuscheln, Austern, Seebarsch, rote Meerbarbe und Tintenfisch. Großzügig auf Eis oder in Bambusdämpfern mit Frühlingszwiebeln dekoriert.
Wir zögerten bei jedem Stand, ob wir hier nicht zuerst etwas essen und dann zu unserem Hotel gehen sollten. Aber das Hotel rief lauter. Darauf hatten wir seit Tagen gewartet, denn es sollte das einzige echte Luxus-Boutiquehotel unserer Reise sein, in dem wir uns vollkommen entspannen wollten. Die Bilder versprachen viel. Mal sehen, ob die Ruhe tatsächlich in unsere Poren eindringen kann. Ruhe, die nach den geschäftigen Städten und dem Klettern über hohe Gipfel sehr willkommen war.

Der Eingang des Anyu Lingan Hotels, das in einer alten viktorianischen Villa untergebracht ist, spricht Bände. Es wurde offensichtlich sehr viel Wert auf die neue Komposition von Linien, Farben und Materialien im Eingangsbereich und dem umliegenden Garten gelegt, die nahtlos mit dem antiken Gebäude harmoniert. Alles strahlt Ruhe und Eleganz aus. Es könnte sogar eine meditative Atmosphäre herrschen, ohne dass sie schwebt. Ich würde es am besten mit einem Gemälde von Rothko vergleichen. Eine Zwei- oder Drei-Panel-Komposition, die einen in Farbe und Raum verschwinden lässt. Als ob man in eine andere Welt eintaucht. Eine Welt der Einheit, in der alles stimmt, auch wenn man nicht genau weiß, wie.

Unser Zimmer und der Frühstücksraum, in dem Ihnen am Morgen ein fantastisches Frühstück in zahlreichen kleinen Schälchen auf einem schön verarbeiteten Holzbrett mit Füßen serviert wird, waren so angenehm für uns, dass wir nicht hinaus wollten. So vergingen zwei Stunden. Nicht zuletzt, weil ich ein Buch mit Werken von Rothko fand und seine Malerei mit dem Raum um mich herum verschmelzen ließ. Ich vergaß für einen Moment mein geliebtes China mit all seinem Trubel, an dem ich normalerweise so Freude habe, und fühlte eine tiefe Zufriedenheit über das Hier und Jetzt.